Verschobene Nachtfahrt, von Åhus über Ystad nach Warnemünde, 23.-25.6.23

Nach dem Tanken in Åhus meinen wir noch, einen wunderschönen Segeltörn von über mehr als 20 Stunden vor uns zu haben. Es soll unsere erste Nachtfahrt sein, bis vor die Ufer von Hiddensee. Doch es bewahrheitet sich wieder, dass Pläne beim Segeln nur dazu dienen, sie zu ändern.

Aber der Reihe nach. Es störte zunächst nicht, dass aus dem eben noch herrlichen Wind ein laues Lüftchen wurde. Nach 2 Stunden stehen Wind und dann auch INTI🌞 still. Wir bleiben geduldig, auch als sich der Windanzeiger lange Zeit mehrmals um sich selbst dreht, denn irgendwann sollten 3-4 Windstärken für ausreichend Vortrieb sorgen.

Doch was dann abgeht, kommt unerwartet. Eine letzte Umdrehung und plötzlich, von jetzt auf gleich drücken 23 knt wahrer Wind, Windstärke 6 direkt auf den Bug. Innerhalb weniger Minuten baut sich eine beachtliche Welle auf. Groß und Genua stehen schnell im 3. Reff. Die Idee, das erste mal durch die Nacht und bis nach Hiddensee zu segeln, erweist sich bei diesen Bedingungen als ziemlich unglücklich, wobei uns hauptsächlich die Welle stört. An Simrishamn sind wir inzwischen vorbei gedüst. Wieder zurück? Wir wären schnell am Ziel, weil Wind und Welle mit uns wären. Wir verwerfen den Gedanken aber sehr schnell. Lieber endlich weiter westlich, bis nach Ystad und dadurch für den nächsten Tag Höhe gewinnen, so dass dann vielleicht Warnemünde angesteuert werden kann.

Die am Morgen noch vom Salzwasser gereinigten Fenster, Luken und Sprayhood werden wieder kräftig geduscht. Das Segeln macht Spaß, doch wird mein Spaß getrübt, da ich an das Anlegen im Hafen bei dieser Windstärke denke. Tatsächlich flehe ich die Götter an, Wind und Welle zu verringern, so dass wir ohne Kamikaze-Hafenkinomanöver zu doch recht später Stunde überhaupt einen freien Platz finden und dann ohne Blessuren an anderen Booten oder unserer INTI🌞 zu verursachen, am Steg landen. Ich erfinde und singe sogar ein Lied gegen die ungute Nervosität. Die Gebete oder mein Lied wurden erhört, im Hafen von Ystad ist es erstaunlich ruhig, kaum vorstellbar, was draußen stattfindet. Wir finden eine enge, aber gerade passende Lücke neben einem netten Najad-37-Seglerpaar.

Ystad gefällt uns nun schon zum 3. Mal. Wir kennen uns etwas aus und schniegeln uns ein wenig, um ausnahmsweise mal in einem Restaurant zu essen. Es ist Midsommerfest in Schweden. Wie vor 2 Jahren auf der Insel Ven, werden auch hier von den Erwachsenen uns unbekannte Spiele auf dem Rasen gespielt und in größeren oder kleineren Gruppen gegessen, wobei Erdbeeren, Kartoffeln und Hering immer dabei sind. Auch in dem von uns besuchten Möllers Bryggeri in einem hyggeligen Innenhof wird uns ein Midsommer-Mix empfohlen. Super leckere Sachen, die warmen auf einem und die kalten auf dem anderen Teller. Familien mit Kind und Kegel, eine kontaktfreudige Truppe junger Männer, ein Paar aus Berlin, die lächelnde Kellnerin – alle entspannt und fröhlich.

Auf dem Weg zum Boot pflücke ich am Straßenrand dem schwedischen Midsommer-Brauch gemäß schweigend (!) 7 verschiedene Blumen für ein langes Leben.

Was für ein lebendiger Tag. Nun nur noch die Törnplanung für Morgen. Wind aus SW und Welle bleiben, beruhigen sich aber hoffentlich etwas. So sollten wir so gut es gerade noch geht, am Wind bleiben, auch wenn es zunächst so aussehen sollte, als könnten wir die Segel etwas fieren und damit auch schneller unterwegs sein. Wind und Welle werden mit Sicherheit nach Osten drücken und vor dem Wind Kreuzen bedeutet schnell, die zu segelnde Strecke und die dazu benötigte Zeit mindestens zu verdreifachen.

Über Nacht nimmt der Wind wirklich etwas ab und damit ist auch die Welle nicht mehr ganz so kräftig. Gegen 9 sind die Segel vor Ystads Hafen gesetzt, wir machen gute Fahrt. Mit Wegfall der Abdeckung durch südschwedens Küste (Höhe Smygehamn) sind Groß und Genua im 2. Reff. Es weht wieder kräftig. Wir knüppeln hart am Wind, der Bug zeigt zunächst noch zu Klipppen von Møn, um nicht am Kap Arkona von Rügen, sondern letztlich wenigstens am Dornbusch von Hiddensee zu landen, nehmen dafür auch die damit verbundene geringere Geschwindigkeit in Kauf. Mein Motto: „Nicht schnell am falschen, lieber langsam am richtigen Ort ankommen“. Die INTI🌞 legt sich wie ein Orca auf die mannshohen Wellen, die uns immer weiter östlich versetzen, taucht mit dem Bug auch mal tüchtig ein, um beim Wiederhochkommen mit der halben Ostsee auch das Kajütdach und die Sprayhood abzuspülen. Toll macht sie das.

Es ist 23 Uhr, als wir im Sonnenuntergang den Dornbusch erreichen. Der Wind hat sich nun müde geweht, pustet nur noch, aber noch immer aus Südwest.

Erst nach Darßer Ort kann der Kurs etwas südlicher gelegt werden, deshalb hilft bis dorthin der Jockel, der starke Mann unter Deck.
Und dann ist bis Sonnenaufgang Ruhe. Die Segel kommen wieder raus, der Skipper geht in die Koje und ich segle zum ersten Mal allein durch die Nacht. Was für ein Geschenk. Von Müdigkeit keine Spur. Warm angezogen, im Thermobecher heißer Tee, auf Radar und Plotter nur Schiffe in weiter Entfernung. Kaum noch Welle, hauchdünn der Wind. Gleiten mit 3 sm/ h Langsamkeit. Ruhe. Tiefe Zufriedenheit. Tiefenentspannung.

Erst mit der in grandiosen Farben aufgehenden Sonne geht der Wind zu Bett. INTI🌞 steht auf glattem Wasser.

Noch eine gute Stunde unter Motor bis Warnemünde. 103 sm, 22 1/2h.

Bei spiegelglatter See laufen wir nach gut 22 Stunden im Hafen Hohe Düne ein. Im Hafenmeisterbüro gibt es frische Brötchen für ein leckeres Frühstück, dann fallen wir bis Mittag in die Kojen.

Die INTI🌞 erhält eine kräftige Entsalzungsdusche und auch unter Deck wird mal besonders gründlich aufgeräumt, geputzt und poliert. Die Motivation beruht darauf, dass wir zum Kaffee Besuch eines Freundes aus gemeinsamen Grundschul- und Gymnasienzeiten und seiner Partnerin erwarten, die nun u.a. in Rostock wohnen. Es ist ein herzliches Wiedersehen nach 5(?) Jahren.
Der Tag bzw. die 2 besonderen Tage klingen aus: mit einem Sonnenuntergang. ❤️🥰

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